Das Jahr ist in Tagen noch nicht so alt wie das Restaurant Sterne hat – das verspricht doch schon mal ganz großes Kino. Über das Restaurant Bareiss und seinem nun immerhin schon seit sieben Jahren mit drei Sternen geadelten Küchenchef Claus Peter-Lumpp müssen wohl nicht mehr viele Worte verloren werden. Also, die Karte bitte.
Gleichzeitig kommen dann auch schon vier kleine Fingersnacks an den Tisch. Wahrscheinlich damit dem Gast bloß nicht die Kraft ausgeht, während er sich durch die Karte wälzt und schweren Herzens versucht eine Entscheidung zu treffen. Die typische Qual der… – es hört sich einfach alles klasse an. Ok, die …Wahl fällt auf à la Carte – man muss dem Namen ja alle Ehre machen. Nachdem diese Hürde dann gemeistert ist wird man auch schon von einem ersten, meerigen Gruß aus der Küche belohnt. Kombiniert mit rote Bete und Meerrettich und separat einem Schälchen mit Meerrettichmouse und obenauf rote Bete-Gelee ergibt sich doch ein leichter Einstieg.
Der zweite Gruß geht dann Richtung Fernosten. Eine Scheibe vom Federvieh mit Kichererbsen, Joghurt und – ich glaube – Harissa, oder einer andern Gewürzmischung aus dem Orient. Sei es drum, auf jeden Fall extrem gut. Die würzig, frische, leicht säuerliche Kombination macht Lust auf mehr.
Danach hat es sich auch ausgegrüßt und es startet mit dem ersten Gang – oder schon halben Menü? Komplettes Milchkalb. Dabei reicht die Beschreibung der Teller als Text vollkommen aus. Auf dem ersten Teller hätten wir Tatar vom Milchkalbsfilet mit Mascarponecrème und weißem Trüffel aus Alba, dann Geschmortes Kalbsbäckchen mit Taleggio und weißem Zwiebel-Confit und auf dem letzten Teller Carpaccio mit weißem Trüffel Royal und Petersilienwurzel-Salat.
Nur kurz: Das nenn ich mal nen Start!
Es geht weiter mit einem Süppchen vom Fasan. Genauer: Essenz vom Fasan aus den Rheinauen mit pochierter Fasanenbrust – die Trüffelstifte scheinen auf der Karte vergessen worden zu sein, aber ich will mich da wirklich nicht beschweren – und weil das natürlich noch nicht genug ist, kommt auf dem zweiten Teller noch Rahmsauerkraut mit geschmortem Fasanenkompott, Weintrauben, konfierte Schalotten und Croûtons. Wahnsinn diese kräftige Suppe mit der zarten Einlage. Dabei noch ein ebenso kräftiges Kompott und als Kontrastprogramm wunderbar leichtes, fruchtig – spritziges Sauerkraut und Weintrauben. Einfach klasse!
Ich fühle mich jetzt schon wie im 7 (kulinarischen) Himmel. Dazu bei trägt auch das Zwischengericht bei – nach bereits 5 Tellern, ohne Grüße – das ausnahmsweise mal mit einer Scheibe aus Porzellan auskommt. Das Milchkalbsbries mit Balsamico und Vanille glaciert auf weißem Bohnenpüree, Schalottenkonfit und Madeirasauce ist – vor allem wegen der Vanille, wunderbar dicht und süffig, mit süßlichen Noten, wobei die kräftigen Bohnen und die Sauce dem ganzen wieder die nötige Balance geben.
Mit dem Loup de mer wird’s dann wieder voll auf dem Tisch. First – ein kross gebratener Loup de mer mit Nussrisotto, Cidresauce und Apfel – und wenn die Küche kross auf die Karte schreiben meinen die auch kross, wirklich wahnsinnig gut – daneben, bzw. hier darunter ein Loup de mer Filet auf geräucherter Maiscrème und Sauerrahm und zu guter Letzt: Loup de mer Streifen in Olivenöl pochiert mit Hagebutten, sautiertem Feldsalat und gebrannten Haselnüssen.
Alles perfekt gegart, gebraten, pochiert und zubereitet. Mein Highlight – oder besser gesagt, ein Highlight.
Mit dem Hauptgang wird es dann teilweise wieder leicht orientalisch – scheint ein kleines Faible von Herrn Lumpp zu sein. Das regionale Lamm von der Älbler Wacholderheide wird auf dem ersten Teller serviert als gebratener Lammrücken auf Schwarzwurzelvariation und Cinq-épices Sauce, auf dem zweiten die geräucherte Lammkeule auf Schwarzwurzelfondue mit altem Balsamico und Schnittlauch und in einem Glässchen noch ein süffiges Lammragoût orientalisch auf Süßkartoffelpüree. Es schmeckt so gut wie es klingt – und eigentlich schon müßig zu erwähnen, dass wieder die Produktqualität und Zubereitung keine Wünsche offen lässt.
Die Desserts beginnen dann fruchtig-leicht mit dem Apfel als Hauptdarsteller. Auch hier natürlich mehrere Teller, war doch zu erwarten, zum einen ein Mandelsablé mit geschmortem Apfel Vanillecrème und Rum-Rosinen, dann noch eine Mascarponemousse mit Apfel-Rucolasorbet und Verveine und zu guter Letzt: Apfel-Milchreis mit Safraneis.
Anmerkung: Streicht mal lieber das Leicht aus dem ersten Satz. Haha.
Zum Abschluss wird’s dann aber noch mal richtig tumultartig auf dem Tisch. Für das finale Schokoladendessert – musste einfach noch sein – reichen dann aber selbst drei Teller nicht mehr aus. Also eine einfache Aufzählung: 1. Gebackene Schokoladen Praline mit Ananas, 2. Dulcey (die, sich offenbar im Moment schwer im Trend befindende, „blonde Schokolade“ von Valrhona) Panna Cotta mit Banane und Butterstreusel, 3. Milch und Schokolade, 4. Schaumkuss mit Cassis und Schokolade und 5. Zartbitter Schokoladencrème mit Birnensorbet und Schokoladenkuchen.
Und nochmal: Einfach Wahnsinn!
Und weil es nicht schon genug: Es kommen in so einem Restaurant noch die typischen süßen Kleinigkeiten zum Espresso. Und ich muss gestehen, selbst ich komm da so langsam an meine Grenzen.
Wer dann aber auch noch glaubt er sei fertig, der hat eindeutig die Rechnung ohne die Patisserie gemacht.
Es folgt noch ein kleiner – Hüstel – Wagen mit allen möglichen Schmankerln. Und bei solch einem schönen Anblick von Macarons, Pralinen, Bonbons, Kuchen, etc. kann man einfach nicht wiederstehen – also ich konnte es jedenfalls nicht.
Nach diesem nun leichten(!) Abschluss ist dann aber wirklich Schluss. Und ob Ihr es glaubt oder nicht, am liebsten würde ich einen Verdauungsspaziergang machen, um danach die restlichen Gerichte probieren zu können.
Also Fazit? Ich denke das hat sich schon lange erledigt. Es war sensationell! Die Küche von Herr Lumpp und seinem Team ist klassisch ausgerichtet und dadurch leicht zugänglich. Ohne viel Schnickschnack, Showeffekte oder große Überraschungen, aber dafür mit qualitativ top Lebensmitteln, emotional, leidenschaftlich und technisch perfekt zubereitet. Den Aufwand den die Jungs in der Küche treiben, um solche Geschmacksbomben herzustellen muss gewaltig sein. In diesem Sinne, man sieht sich bestimmt mal wieder – und das Erlebnis à la Carte sollte man sich hier definitiv ruhig mal gönnen. Enjoy!