Die dritte und leider letzte Station führt mich dann raus aus Saarbrücken und rein in das recht übersichtliche Perl-Nennig. Außer den eigenen Einwohnern und vielleicht ein paar Luxemburgern, sollte diese Ort zumindest unter den gerne-Essern (und -Trinkern) aus Deutschland einen gewissen Ruf genießen. Zum einen wegen der Moselweine, klar. Aber viel wichtiger: Hier steht das Victor’s Residenz-Hotel Schloss Berg. Und noch viel, viel, viel wichtiger: Hier im Victor’s Gourmet-Restaurant Schloss Berg kocht Christian Bau mit seinem Team.
Aber von vorne: Wieder beginnt ein wunderschöner Tag in Saarbrücken – nur leider nicht für mich. Diagnose: Magenverstimmung. Denkbar ungünstiger Zeitpunkt! Die Pizza gestern war wohl nicht nur in ihrer Machart schlecht gewesen…
Was also tun? Es ist bereits für Mittag ein Tisch im Restaurant reserviert und die Freundin, mit der man sich zusammen über ein leckeres Essen hermachen möchte, ist auch bereits auf den Weg. Zudem hätte eine Absage wegen Krankheit, wenige Stunden vor der eigentlichen Reservierung, irgendwie den Charakter wie: „Frau Lehrerin, ich habe die Hausaufgaben nicht dabei, weil mein Hund sie gefressen hat“. Eine Sache, bei der ich verstehen kann, dass Lehrer – in diesem Fall die Metapher für Gastronomen – nicht unbedingt wohlwollend reagieren. Oft wahrscheinlich auch zu recht – sowohl Lehrer als auch Gastronomen.
Natürlich, das ist kein Argument. Wenn es jemanden schlecht geht, hilft halt alles nichts. Aber, der wohl ausschlaggebende Grund, weshalb die Reise trotzdem angetreten wird: Ich habe mich schlicht und ergreifend richtig auf dieses Essen gefreut und trotz der widrigen Umstände ist es auch so geblieben. Vollkommen zu recht wie sich im Nachhinein übrigens raustellen sollte. Vernunft vs. Unvernunft 0:1.
Man kommt also mit etwas Verspätung im Restaurant an und schon geht’s los. Der Chef macht den Vorschlag selbst eine Auswahl zu schicken. Ob das recht ist? Na klar, nur her damit. Überraschungen sind schließlich immer gut. Und wie gut das Ganze wird. Das Menü? Der Service? Das Erlebnis? Ein einziger Superlativ. Aber erst mal ein paar Fotos.
Prolog: Fingersnacks, unter anderem: Asiatisches Rindertartar & Macaron mit Räucheraal und Stopfleber
Prolog: leckeres, warmes Süppchen mit einem Krabbenfleisch-Häppchen
Prolog: wenn ich das noch so genau wüsste
Prolog: `Memories of Japan´ Meeresfrüchte | Ponzu | Shiso
Shrimps aus Island | Buttermilchdashi | Gartengurke | Dillöl
Bauch vom Amber Jack | Sashimi | Grüne Aromen | Schwarzer Knoblauch
Gänseleber aus der Landes | Sauerkirschen | Haselnuss | Café Arabica
Tja, an dieser Stelle kam dann noch der Grüne Spargel von ‚Mon. Robert Blanc‘ | roter Sumak | Yuzu | japanische Hollandaise. Auch wenn diesmal ausnahmsweise – aus bereits bekannten Gründen – der Topf mit der Extraportion Hollandaise nicht leer gemacht wurde, hervorragend war es dennoch. Jedenfalls war hier der Bauch schneller als der Kopf.
Langoustine | Knackiges Gemüse | Satay | Misosuppe
Steinbutt | Bete-Strukturen | Lardo | Schnittlauch
Schnecken aus dem Burgund | Chawanmushi | Pilze | Chinesischer Schnittlauch
Miyazaki-Beef aus Japan | Wakame | Trüffel | Erdartischocke
Mouth Cleaner | Grüner Shiso | Grüne Pfirsiche | Pflaumenwein & Sake
Valrhona Grand Cru | Kalamansi | Fleur de Sel | kalifornisches Olivenöl
Souvenir aus Asien | Pandan | Nashibirne | Ingwer
Schluss, uff! Stimmt gar nicht: süße Kleinigkeiten gab es natürlich auch noch. Jetzt aber. Doppelt uff!!
Da hat sich die Küche nicht lumpen lassen – und trotz der nicht optimalen Ausgangslage bin ich froh drum. Die Teller, die hier auf den Tisch kommen, machen einfach so richtig Laune. Aber wirklich so richtig. Jeder Einzelne. Dass sie schmecken, dass sie handwerklich perfekt sind, dass sie dazu auch noch wunderbar aussehen, das ist ja alles eigentlich klar. Schließlich sitzt man hier in einem 3 Sterne Laden, der dieses Jahr sein 10 Jähriges feiert. Die können schon was, da muss man sich keine Sorgen machen.
Aber diese Vielseitigkeit, diese kleinteilig auf nahezu jedem Teller und vor allem dieser unverkennbar individuelle Stil macht die Sache wahnsinnig interessant. Der Gast kann hier im wahrsten Sinne des Wortes auf Erkundungstour gehen. Die einzelnen Komponenten probieren, dann in Kombination mit Anderen oder alles zusammen und es wird nie langweilig. Dafür gibt es einfach viel zu viel Neues und, wenn man das so sagen will, Aufregendes zu entdecken. Man fühlt sich fast wie ein kleines Kind in einem Spielzeugladen, mit angeschlossener, ziemlich großer Süßigkeitenabteilung. Ohne Aufsicht natürlich! Einfach Fantastisch.
Man merkt: Ich war/bin begeistert. So begeistert, dass ich drei Wochen später wieder hier sitze. Sagt doch schon alles, oder? Diesmal sogar in Vollbesitz meiner Kräfte. Und los geht’s von vorne – YES!
Prolog: Krabbe „warm & kalt“ | Melonensorbet
Prolog: Asiatische Suppe „Deluxe“ | Nüsse | Pilze | Edamame | Abalone
Lauch | Meerwasser-Emulsion | Sauerteigbrot | Osietra-Kaviar | Auster – Ja Herr Bau, diesmal hab ich die fein gewürfelten Austernstücke entdeckt. Aber auch hier haben die nicht gestört.
Japanische Bernsteinmakrele | Sashimi | eingelegtes japanisches Gemüse | schwarzer Knoblauch – wie schon beim ersten Mal: ein Gang der ganz, ganz, ganz viel Spaß macht.
Gänseleber aus der Landes | Madraspfeffer | Mango | grüner Teekrokant
Grüne Spargel von ‚Mon. Robert Blanc‘ | roter Sumak | confierte asiatische Zitrusfrüchte | japanische Miso-Hollandaise – beim ersten Besuch schon gegessen und beim zweiten den ganzen Abend darauf gefreut. So einfach kann richtig gute Küche sein – und diesmal wird auch kein Tropfen von der Hollandaise vergeudet.
Langoustine | Kohlrabi | Haselnuss | Buttermilchdashi
Danach kam wieder eine Variante vom Steinbutt. Diesmal Steinbutt | Süß (Süßkartoffel-Orangen Püree) | Sauer (Salzzitronengel) | Salzig (Anchovispaste) | Scharf (Ingwersud) – oder einfach wie das hier genannte wird: „Steinbutt vier S“. Sah super aus, hat auch wieder super geschmeckt, aber auch hier war wieder der Bauch schneller als der Kopf.
Lamm vom ‚Hofgut Polting‘ | Salzzitrone | Koriander | kleine Artischocken
Mouth Cleaner | rotes Shiso | Yuzu | Sake | Calpico
Banane | ‚Bananen Split‘ Reloaded – was war denn da im Vanilleeis drinnen?
Bau.Stein. | Pistazie | rote Aromen (natürlich: rote Bete) | Joghurt
Die Meinung zum zweiten Abend kann sich jeder selber denken. Hier kam nur noch zum super Essen und dem super Service noch super Wein/Sake hinzu. Generell, wenn sie Herr Kiowski ein Lächeln auf das Gesicht zaubern wollen, fragen sie ihn nach dem japanischen Reiswein. Die leichte Begeisterung lässt sich nicht verbergen.
Ich kann es nicht leugnen: Gerade erst kennengelernt und schon bin ich ein absoluter Fan der Bau’schen Küche. Dazu trägt wahrscheinlich auch noch Herr Bau selbst bei, der sehr sympathisch ist rüber kommt (zumindest sofern ich die kurzen Momente beurteile, in denen wir uns begegnet sind). In diesem Sinne: Klasse Küche, klasse Getränke, klasse Typen = es wird auf jeden Fall ein nächstes Ma(h)l geben – nicht im drei Wochen Abstand, aber (hoffentlich) auch nicht in allzu ferner Zukunft.